Dechant Heinrich Fetten
Bei einem Rundgang durch das Herz Brühls, die Innenstadt rund um die altehrwürdige Pfarrkirche St. Margareta, die erst unlängst nach längerer ´Schönheitskur´ ihre Pforten wieder öffnete (der BBB berichtete ausführlich), stößt der interessierte Bürger gleich in unmittelbarer Nähe des Gotteshauses auf ein Straßenschild, das den Namen ´Heinrich-Fetten-Platz´ aufweist.
Diese Benennung einer Straße – oder wie hier eines Platzes – im Zentrum einer Stadt muß für den außenstehenden Betrachter zu dem Schluß führen, daß die hier – im wahrsten Wortsinne – verewigte Person sich in sehr bedeutendem Maße um die Stadt verdient gemacht haben muß.
Dies war bei Dechant Fetten unzweifelbar der Fall und da sich in diesen Tagen (am 6. Juni) der Todestag dieses vorbildlichen Geistlichen zum 45. Male jährt (siehe auch unsere Monats-Chronik), ist dies Anlaß genug, sein Leben und Schaffen näher zu betrachten:
Den Werdegang Fettens bis zu seiner Berufung nach Brühl kann wohl niemand besser schildern, als er selbst, und so im Folgenden nun der Eintrag, mit dem Fetten sich in der Brühler Pfarrchronik eintrug:
„Am 2. Mai 1880 wurde ich als Sohn des Schuhmachers Josef Fetten in Hardt, Landkreis Gladbach, geboren, war 4 Jahre Zögling des Collegium Marianum der deutschen Lazaristen in Theux (bei Spa in Belgien), besuchte das Gymnasium in M.Gladbach und Neuß, studierte Theologie in Bonn. Am 10. März 1906 wurde ich in Köln zum Priester geweiht, war von 1906 bis 1911 Kaplan an St. Josef in Krefeld und von 1911 bis 1913 Kaplan an St. Ursula in Köln. Dann wurde ich mit der Organisation des Religionsunterrichts an den Fortbildungsschulen der Stadt Köln betraut. Nach Ausbruch des Weltkrieges wurde ich Ende September 1914 zum Feldgeistlichen berufen und war dann bis Ende des Krieges Divisionspfarrer der 42. Infanteriedivision. Als solcher nahm ich teil an den Feldzügen in Frankreich (Picardie), Rußland (Winterschlacht in den Masuren), den Kämpfen um Wilna, an den Stellungskriegen in Galizien, Kurland, Wollbynien, dann an der Westfront in Frankreich, in Flandern und in der Champagne. An Auszeichnungen erhielt ich das Eiserne Kreuz II. Und I. Klasse. Nach der Rückkehr aus dem Kriege beim Ausbruch der Revolution wurde ich wegen meiner geschwächten Gesundheit zunächst als Rektor im Marien-Hospital in Köln angestellt und am 5. Dezember 1919 als Pfarrverwalter nach Brühl berufen.“
Soweit Heinrich Fetten zu seiner Person
In Brühl wurde der junge Priester zunächst dem damals 86-jährigen Oberpfarrer, Ehrendechant und Ehrenbürger Richard Bertram zur Unterstützung beigestellt, bevor er nach dessen Tode am 24.11.1921 dann am 21. Dezember als sein Nachfolger berufen wurde. Am 16. Januar 1921 wurde der neue Oberpfarrer von Dechant Wimmers (Fischenich) feierlich in sein Amt und seine Gemeinde eingeführt.
In den ersten Jahren bestand seine Tätigkeit darin, seiner Gemeinde auf ihrem Weg in eine völlig neue und ungewisse Zukunft Rückhalt und Unterstützung zu bieten. Brühl stand ganz im Zeichen des wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruchs: Die weltlichen Throne waren gestürzt und auch den geistlichen wie geistigen Werten drohte Gefahr durch die marxistische Linke.
Trotz dieser ungünstigen Vorzeichen, die durch die Inflation und ihre Begleiterscheinungen noch verstärkt wurden, ging Fetten dennoch guten Mutes seinen Weg: Den alten Traditonskatholizismus wollte er mit neuem Glauben füllen und somit zu einer lebendigen Kraft in Brühl erwecken. Hierzu war ihm keine Mühe zuviel: die Fronleichnamsprozession und das Christkönigsfest gestaltete er mit neuem Glanz, in unzähligen Vorträgen und Predigten gelang es ihm, seine Zuhörer durch Themen und Überzeugungskraft zu fesseln.
Als einer der ersten überhaupt erkannte Fetten – inzwischen Dechant – schon zu Beginn der 30´er Jahre die Gefahren der heranziehenden Nazi-Herrschaft. Unmittelbar nach der Machtergreifung weist seine Chronik die folgenden Worte auf: „Unverkennbar ist viel Gutes und Gesundes in den Maßnahmen der Regierung; aber es werden dabei auch fundamentale Fehler gemacht, die namentlich den katholischen Volksteil schwer treffen. Die Entwicklung ist noch nicht abzusehen. Unter dem Deckmantel des Nationalsozialismus macht sich das alte Freidenkertum bemerkbar.“
Und getreu seiner Befürchtungen eiferte Fetten fortan einer kirchlichen Verkündigungspolitik nach. Jeden – noch so kleinen Freiraum – nutzte er zur Verkündigung der echten christlichen Wahrheiten und zur Bekämpfung der braunen Machthaber und ihrer Parolen.
Selbstverständlich stießen solche Worte und Taten auf großes Mißfallen bei Schergen und Spitzeln der Partei und so waren seine Gottesdienste und öffentlichen Auftritte auch von diesen regelmäßig besucht. Fand Fetten hier immer wieder Wege und Worte, sich zwar deutlich, dennoch aber nicht allzu offen gegen die Machhaber zu wenden, so war seine Predigt am 2. Februar 1941 – am Feste Maria Lichtmeß – zu deutlich: Seine Worte zum ´Licht zur Erleuchtung der Heiden´ richteten sich so offenkundig an eine bestimmt Adresse, daß die Pfarrchronik an diesem Tage endet und erst am 8. Februar in einem Eintrag von Kaplan Bodden fortfährt:
„Der 8. Februar 1941 sollte für unsere Pfarre ein furchtbarer Schicksalstag werden, da der Pfarrer, der mehr als 20 Jahre als treuer Hirt seine Gemeinde geleitet hat, nun plötzlich von ihr scheiden mußte. Das kam so: am 6. Februar nachmittags, es war der Donnerstag vor dem Herz-Jesu Freitag, wollte Herr Oberpfarrer Fetten in die Kirche gehen, in den Beichtstuhl. Da kommt ein Beamter der Kriminalpolizei und überbringt ihm mündlich eine Ladung der Gestapo und zwar schon für den folgenden Morgen um 1/2 9 Uhr. In der Frühe zelebrierte Oberpfarrer fetten, um dann den Weg nach Köln anzutreten. Bei der Gestapo wurde er zunächst freundlich empfangen; dann teilte man ihm aber mit, er habe binnen 30 Stunden die Rheinprovinz, die Provinz Westfalen und das ganze Gebiet westlich des Rheines zu verlassen. Auf seine verwunderte Frage, welches der Grund dieser Maßnahme sei, gab man ihm eine Antwort, auf die er wirklich stolz sein durfte: ´Sie gehörten schon lange in ein Konzentrationslager, Sie haben uns mehr zu schaffen gemacht, als alle Pfarrer des Vorgebirges zusammen!´ Darauf der Zitierte: ´Ich danke!´ “
Solcherart ´geehrt´ ging Fetten in die unfreiwillige Verbannung und fand Aufnahme in einem Dominikanerkloster bei Freiburg. Auch von hier setzte er seine Widerstandarbeit zunächst in Form von Pastoralbriefen, die sein Kaplan während der Gottesdienste verlas, fort, bis auch diese letzte Möglichkeit der Einflußnahme durch die Nazis gestoppt wurde. Die Furcht vor diesem rührigen und aufrechten Geistlichen ging bei den braunen Machthabern so weit, daß alle Fotos und Dokumente, die auf seine Existenz deuteten, konfisziert und vernichtet wurden. Hierzu wurde sogar eine Haussuchung im Foto-Atelier Neff (Schloßstraße) durchgeführt, bei der alle vorgefundenen Abzüge und Negative zerstört wurden.
Erst 4 Jahre später, am 5. Juli 1945 wurde Fetten von einem britischen Oberstleutnant nach Brühl zurückgeholt, wo er von seiner Gemeinde mit der letzten an St. Margareta verbliebenen Glocke begrüßt wurde.
Die nun folgende Zeit des Wiederaufbaues nahm den aktiven Christen über alle Maßen in Anspruch und dennoch war er immer und für alle da. Überall linderte er Not, half, spendete Trost und neuen Mut, wie müde er auch sein mochte. Diese Anstrengungen – verbunden mit dem Kraftverlust des jahrelangen Ringens mit dem Nazi-Regime – führten dazu, daß Heinrich Fetten am 6. Juni 1949 – am zweiten Tage des Pingsfestes – seinen letzten Weg antrat.
Bestattet wurde der große Gottesmann – auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin – im Priestergrab unter dem Hochkreuz auf dem alten Friedhof, im Angesicht seiner Pfarrkirche St. Margareta.
Dieses Leben und Wirken sollte allen Brühlern Anlaß sein, das Andenken Heinrich Fettens in Ehren zu halten.